Grundsatzüberlegungen:

Im Stadtgebiet von Graz hat sich die Verbauung von städtischem Grün in sogenannten Hofsituationen als besonders sensibel herausgestellt und wird in privaten Bereichen höchst kontroversiell diskutiert.

Die zukunftsorientierte Entwicklung der Karl-Franzens-Universität hat überragende Bedeutung, und es ist eine gestalterische Herausforderung, das neue Zentrum für molekulare Biowissenschaften sensibel in den Altbestand und vor allem in den Grünbereich einzuordnen.

Als besonders zukunftsorientierte Wissenschaft wird das neue Zentrum für molekulare Biowissenschaften mit seiner architektonischen Ausformung nicht nur die Zukunftsorien­tierung der Karl-Franzens-Universität, sondern auch das Stadtbild des modernen Graz prägen.

Ein besonderes Zeichen dafür ist das Zusammenwirken der KFUG mit der steirischen Forschungs- und EntwicklungsGesmbH SFG. Es sollen moderne Forschungs­plattformen geschaffen werden, auf denen Partner aus Universität und Wirtschaft gemeinsam ihre Arbeit entwickeln. Gleichzeitig sollen jedoch auch eigenständige Entwicklungen von allen Partnern möglich sein.

Damit werden Flexibilität, Zukunftsoffenheit und Vernetzungsdenken demonstriert, welche an den Universitäten nicht immer so deutlich gezeigt wurden und werden. Aus diesem Grund soll die städtebauliche Vernetzung mit der Universität und der Umgebung, zusammen mit der architektonischen Gestaltung, zu einem Ergebnis führen, in welchem historischer Bestand, Grünraum und moderne Architektur zu einer Gestaltungsgesamtheit werden, in der die einzelnen Teile durch die Vernetzung mit den anderen an Qualität gewinnen.

Aus städtebaulicher Sicht wird besonderes Augenmerk auf die Erkennbarkeit von Gebäude und Haupteingang von der Mozartgasse her gelegt.

Weiters ist die Durchlässigkeit und Vernetzung mit dem KFUG-Gelände für Fußgänger und Radfahrer von besonderer Bedeutung. Diese soll integraler Bestandteil des Universitätsgeländes (Park) werden.

Das Gebäude in seiner architektonischen Erscheinung zeigt die Flexibilitiät, Betrieb­samkeit und Veränderbarkeit in der Fassade, die sich ständig wandelt und so die Dynamik der gegenwärtigen Arbeit als Zukunftsstrategie demonstriert.

Äussere Gestaltung:

Die äußere Gestaltung wird bestimmt durch eine klare Strukturierung der beiden Einheiten ZMB-KFUG und ZMB-SFG, welche als veränderbare Struktur an einer Erschließungsschiene angedockt sind.

Eine Separierung bzw. ein Zusammenschluss ist nicht nur als Gebäude, sondern auch in den einzelnen Geschossen möglich.

Besonders wird darauf hingewiesen, dass im Bereich Humboldtstraße, im Anschluss an das ZMB-SFG-Gebäude, eine eigene Parzelle ausgewiesen wird, welche für zukünftige Erweiterungen genutzt werden kann, darüber hinaus aber auch eigenständig verwertbar ist. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Zukunft und zukünftige Partner, aber auch Finanzierungsbeitrag für die Errichtung.

Innere Gestaltung:

Die innere Gestaltung zeigt eine klare Trennung zwischen öffentlichen Bereichen und Bereichen mit Zutrittskontrolle.

Die Erschließungen sind so gelegt, dass diese Bereiche durch den Nutzer verändert werden können. Wichtigste Verbindung zwischen Bestandsgebäude, ZMB-KFUG und ZMB-SFG ist eine Verbindungsachse, an welcher in der Zukunft auch ein Anschluss für die Verbauung auf der ausgewiesenen Freiparzelle Humboldstraße erfolgen kann.

Die signalhafte Ausformung des Hörsaals, zusammen mit Cafeteria und Publikums­bereichen außen und innen, zeigt in Verbindung mit der dynamisch sich verändernden Fassade den Inhalt des Gebäudes schon von der Mozartgasse her auf.

Für das ZMB-SFG wird von der Humboldtstrasse nicht nur ein eigenständiger Eingang mit Firmenadressen für Startup-Unternehmen realisiert, sondern ein selbständiges Erscheinungsbild im Strassenraum geprägt.

Die äußere Gestaltung zwischen Bestand, ZMB-KFUG und ZMB-SFG soll aufzeigen, wie die Ausnutzung von Synergien zeitgemäße Strukturen prägt und Flexibilität und Veränderbarkeit als architektonische Qualität und zukunftsorientierte Planung zeigt.

Veränderbarkeit:

Wie schon in vorhergehenden Punkten ausgeführt, ist Veränderbarkeit und Flexibilität das dominierende Gestaltungsmerkmal dieses Projektes. Dies zeigt sich in der Grundriss­struktur bis hin zu den dynamischen Fassadenelementen, wie auch in der sparsamen Ausnutzung des Grundstückes unter dem Aspekt, dass eine Erweiterung bzw. eine eigenständige Anschlußverbauung im Bereich Humboldtstrasse möglich ist.

Wirtschaftlichkeitsüberlegungen:

Das Gebäude ist als Stahlbetonstruktur mit vorgehängter Fassade aus Aluminium bzw. Glas konzipiert. Die Stahlbetonstruktur wird mit Betonkernaktivierung versehen. Damit können sämtliche Abwärmepotentiale ab einer Temperatur von 26° für den Heizbetrieb genutzt werden (Menschen-, EDV-, Maschinenwärme).

Im Kühlbetrieb ist die Ausnutzung der Kältemaschinen in den Nachstunden möglich (in dieser Zeit sind Leistungen frei).

Durch die Betonmasse, verbunden mit der Wärmeentlastung in der Nacht werden während der Tagzeiten optimale Raumklimate realisiert. Dies zeigt sich bei vergleichbaren Bauten, die wir realisiert haben.

Raum- u. Funktionsprogramm:

Die beiden Bereiche KFUG und SFG werden so situiert, dass sie von einem gemeinsamen Eingangsbereich mit den allgemein genutzten Räumen (Hörsaal und Seminarräume, Bibliothek, Cafeteria und Foyer) erschlossen werden.

Weiters wird an der Humboldtstraße ein eigener Eingang für den SFG-Trakt vorgesehen, um eine vollkommene Trennung zu ermöglichen. Dieser EG-Bereich erhält auch eine Verbindung zum Bestandsgebäude Heinrichstraße 31 (ehemalige Kinderchirurgie).

Eine weitere Verbindung zu diesem Gebäude ist im 2. OG geplant, zusätzlich ist eine Anbindung in allen Geschossen möglich.

Zwischen den Bereichen KFUG und SFG ist in jedem Geschoss eine Verbindung geplant, die je nach Erfordernis eine gemeinsame Nutzung bzw. eine vollkommene Trennung ermöglicht.

Eine Herauslösung des SFG-Traktes als eigene Parzelle, mit den entsprechenden Grenzabständen, ist möglich.

Die Zufahrt, sowie die Ver- und Entsorgung des ZMB erfolgt von der Humboldtstrasse aus.

Zwischen den beiden Trakten wird der nicht einsehbare Anlieferungsbereich mit getrennt angeordneten Anlieferungsräumen situiert.

Hier, zwischen den beiden Gebäudeteilen erfolgt mit optimierter Leitungsführung auch die Anbindung an die Medien (Strom, Wasser, Erdgas, etc.).

Die vertikalen Erschließungen werden zentral zwischen dem öffentlichen, studentischen Bereich und dem zutrittskontrollierten Laborbereich angeordnet. Dadurch werden optimale Wegverbindungen geschaffen und die Fluchtwege entsprechend den Vorschriften eingehalten.

Die Institutsräume KFUG werden entsprechend den Vorgaben im Raum- und Funktionsprogramm auf die Obergeschosse 1-4 aufgeteilt. Die Anordnung der Serviceeinrichtungen (Tierstall), Isotopenlabor, sowie der Lagerräume erfolgt im 1. UG.

Durch die offene Ausbildung der Gebäudestruktur sind jedoch auch andere variable Aufteilungen und Zusammensetzungen der Raumgruppen möglich.

Die Geschossebenen bestehen aus einem öffentlichen, studentischen Teil mit natürlich belichteten Räumen und einem zutrittskontrollierten Laborteil mit natürlich belichteten Labor- und Bürozonen, sowie aus den erforderlichen Dunkelzonen (Geräte- und Messräume). Sämtliche natürlich belichtete Geschosszonen werden so ausgebildet, dass sie sowohl als Labor, als auch als Bürofläche genutzt werden können.

Der Laborbereich KFUG ist als 4-hüftige, modulare Anordnung mit möglichst kurzen Wegen geplant.

Der Gebäudeteil SFG ist mit ähnlicher Raumzusammensetzung, aber mit geringerem Dunkelflächenanteil, 2 bis 3-hüftig konzipiert.

Die Geschosse sind variabel und nutzungsoffen, teilbar in Einheiten von ca. 100 - 1.500m², mit gemeinsamen zentralen Räumen (Sozialräume, Haustechnik und Verti­kalerschließung).

Im 1. UG befinden sich in beiden Gebäudeteilen Serviceeinrichtungen und Lager mit dem dazwischenliegenden Anlieferungsbereich. Eine natürliche Belichtung ist bei Erfordernis möglich.

Im 2. UG ist die Tiefgarage mit gemeinsamer Ein- und Ausfahrt situiert. Diese wurde so konzipiert, dass die Wege (CO - Belastung) möglichst gering gehalten werden.

Weiters ist hier die Haustechnikzentrale für die Untergeschosse angeordnet. Diese liegt direkt unter dem Reinraumbereich des Tierstalles, um die Leitungslängen möglichst gering zu halten.

Besonderheiten des Entwurfs:

Im kompakten Baukörper sind vertikale Höfe eingeschnitten, welche als Aufenthaltsraum im Freien, als auch als Meetingpoint genutzt werden können. Besondere Bedeutung haben diese Höfe für die natürliche Ventilation des Gebäudes. Dadurch werden nicht nur Kosten gespart, sondern auch Raumqualitäten geschaffen. Weiters wird mit diesen Einschnitten und Höfen der kompakte Baukörper strukturiert und erscheint kleiner.

Besonderes Augenmerk ist bei diesem Gebäude auf die Gebäudetechnik zu legen, da diese einen beachtlichen Teil des Budgets beansprucht.

Zentrale Erschließungen in begehbaren Schächten sichern kurze Wege auf geordneten Leitungstrassen. Dadurch ist nicht nur die Errichtung kostengünstig, sondern auch der Betrieb und vor allem die allenfalls notwendige Wartung.

Arch. DI Ernst Giselbrecht