Grundsatzüberlegungen:

Durch den Neubau des Chemieersatzgebäudes TU Graz gibt es die Möglichkeit, die architektonisch-städtebauliche Situation wesentlich zu verbessern und die "Neue Technik" in eine Gesamtgestaltung zu integrieren.

Gemeinsam mit den bestehenden Universitätsbauten und der neu errichteten Biokatalyse, sowie der Neunutzung des jetzigen Chemiegebäudes kann ein Universitätscampus entstehen, welcher nicht nur den ganzen Bezirk aufwertet, sondern ein neues Gesicht der Stadt Graz prägt.

Weiters besteht die Möglichkeit, einen Technikpark als Verbindung Brockmanngasse - Münzgrabenstraße zu realisieren. Dieser dient nicht nur als Abgrenzung zu der niederen historischen Nachbarverbauung, sondern zugleich bringt dieser Park neue Grünqualitäten nicht nur für Studenten und Bedienstete der TU Graz, sondern für den ganzen Stadtteil und läßt dadurch eine verstärkte Akzeptanz der Neubaumassnahme erwarten. Es soll darauf hingewiesen werden, dass gerade der Bezirk Jakomini mit Grünflächen schlecht ausgestattet ist, und aus diesem Grund soll eine ambitionierte Grünraumplanung nicht nur diese Grünachse bearbeiten, sondern auch die Grünflächen von Biokatalyse, Biochemie und Physikgebäude einbeziehen. In Verbindung mit dem Felix-Dahn-Platz soll ein durchgängiges öffentliches Grün realisiert werden, welches nicht nur eine kleinklimatische Verbesserung, sondern auch neue Stadtteilqualitäten bringt.

Architektonisch und gestalterisch wird gezeigt, wie Bestand und Neu zu einer qualitätvollen Architekturgesamtheit verbunden werden, die den Stellenwert der TU Graz im Stadtraum aufzeigt und als städtebauliches und gestalterisches Leitbild den Bezirk Jakomini strukturiert.

Funktionelle Kriterien:

Der Grünbereich, der überregionale Bedeutung hat, bietet Qualitäten für den ganzen Bezirk, aber auch für die Studenten und Bediensteten der TU Graz, da die Freibereiche direkt in den Grüngürtel münden.

Wesentlich ist auch die Funktion der Verbindung für Fußgänger und Radfahrer im Grünbereich zwischen Brockmanngasse und Stremayrgasse bzw. Münzgrabenstraße. Somit ist der Eingangsbereich, welcher nahe der Stremayrgasse liegt, von beiden Seiten gut erreichbar und verbindet die beiden Anschlussbereiche zur sogenannten "Neuen Technik". Wichtig ist, dass dieser Eingangsbereich mit den anderen TU-Gebäuden vernetzt ist.

Die internen Qualitäten der Durchmischung mit Grün zeigen sich in der Verbindung zum Innenhof des Bestandsgebäudes, welches durch die Begrünung von Lichthof und Dachflächen zu neuen Qualitäten geführt wird. Die einzelnen Funktionsbereiche sind entsprechend den Ausschreibungsbedingungen zugeordnet, wobei darauf hingewiesen wird, dass das Gesamtgebäude nutzungsoffen und veränderbar konstruiert wird, entsprechend den Anforderungen an ein modernes Laborgebäude.

Besonders wird darauf hingewiesen, dass die für die Statik notwendige Betonstruktur mit Betonkernaktivierung versehen ist; somit sind für die Heizung optimale Strahlungsflächen vorhanden, welche nicht nur durch den Wegfall der Flächen für Heizkörper, sondern auch in Bezug auf die Errichtungs- und Betriebskosten äußerst preiswert sind.

Im Bereich der Büro- bzw. Allgemeinflächen ist an eine Quell-Lüftung gedacht, um die Energie- und Betriebskosten des Gebäudes möglichst gering zu halten. Die notwendigen Sonderlüftungen für Laborbereiche werden entsprechend den Anforderungen in dieses System integriert.

Im Bereich der Innenhöfe werden Teilbereiche der bestehenden Innenhofverbauung abgebrochen, und so wird zusammen mit der Neuordnung und Begrünung ein qualitätvoller öffentlicher Bereich  geschaffen.

Werkstättenbereiche werden im 1.UG situiert, da dort ausreichende natürliche Belichtung und Belüftung realisiert werden können.

Die Brandabschnitte sind durch die Geschossdecken und durch Brandwände, abgestimmt auf die gesetzlichen Abstände, bestimmt.

Städtebauliche Kriterien:

Entscheidend ist, dass durch die Baumaßnahmen neue Qualitäten für die TU Graz und den gesamten Bezirk Jakomini entstehen. Die Verbindung zwischen soge­nannter "Neuer Technik" und dem Chemiegebäude ergibt eine Architekturgesamtheit, welche die bestehende Situation der Feuermauern verbessert, weiters eine Integrierung des Grünbereiches in das Hochschulgelände realisiert und somit zeigt, dass durch konsequente Architekturumsetzung eine Verbesserung der Gesamtsituation erreicht werden kann.

Als grundlegende Entwurfsidee soll gezeigt werden, wie ein modernes Laborgebäude in den Stadtraum integriert wird, aufgrund seiner Lage dem Bezirk Jakomini eine neue Identität verleiht und gleichzeitig die dynamische Entwicklung der TU Graz aufzeigt.

Die Gestaltung der Außenräume, Eingangszonen, Schwellenbereiche und Grünzonen soll nicht im Vorbereich des Gebäudes enden, sondern wie schon erwähnt als Durchmischung einer gestalterischen Leitidee im Grünbereich bis zum Felix-Dahn-Platz reichen und somit eine Grünverbindung von der Münzgrabenstraße bis zur Petersgasse realisieren.

Baukünstlerische Kriterien:

Die Anbindung des Neubaus an den Bestand erfolgt im Bereich der funktionellen Gegebenheiten, wobei eine wesentliche Verbesserung der Innenhofsituation geschaffen wird, da schon vom Innenhof direkte Sicht auf den Grünbereich gegeben ist.

Aus denkmalpflegerischen Aspekten soll der Neubau mit einem verglasten Anschlußelement an den Bestand zu einer Architekturgesamtheit zusammenwachsen, wobei die Lesbarkeit der einzelnen Maßnahmen wie Bestand bzw. Neurealisierung gezeigt wird. Die Raumqualitäten in den öffentlichen Bereichen zeigen diesen Übergang und Schwellenbereich zwischen aussen und innen auf. In Zusammenhang mit den Grünbereichen in den Laborzonen wird in ökonomischer Weise gezeigt, wie  kleine Lichthöfe den Bezug nach aussen möglich machen und so diese Qualitäten auch im Erscheinungsbild widerspiegeln.

Die Anbindung an das Nachbargebäude wird als Pergolaelement realisiert. So kann den rechtlichen Notwendigkeiten entsprochen werden, ohne den Grünraum als Durchgang und Park zu beeinträchtigen.

Die Fassaden sind im Raster strukturiert und mit vorgesetzten Beschattungselementen versehen, welche Blendschutz, Sonnenschutz und gestalterisches, dynamisches Fassadenelement vereinen. Diese Fassadenelemente sollen als dynamisches Element im Stadtraum symbolhaft die fortwährende Neupositionierung der Forschung an der TU Graz demonstrieren. Die Veränderbarkeit und Farbigkeit der Fassaden zeigen das spielerische Element und definieren die Fassade und das Erscheinungsbild des Gebäudes immer wieder neu.

Ökonomische Kriterien:

Das Gebäude wird in einer ökonomischen Bauweise, mit einer Stahlbeton-Tragstruktur mit integrierter Betonkernaktivierung realisiert. Die Brüstungsteile sind als Beton-fertigteile eingehängt. Als Fassade ist eine vorgehängte Vorsatzschale aus Aluminium bzw. Plattenwerkstoffen vorgesehen. Die Stahlbeton-Tragstruktur ist unterzugsfrei, um so eine leichte Veränderbarkeit und einfache Realisierung der Gebäudetechnik möglich zu machen.

In Abstimmung auf die städtebaulichen Gegebenheiten wird ein kompakter Baukörper realisiert, welcher nicht nur den wirtschaftlichen Umgang mit den Ressourcen, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Gebäudetechnik und die einfache Instandhaltung als Thema zeigt.

Freiraumplanung:

Aufgrund der städtebaulichen Dichte im Bezirk steht die Schaffung von entsiegelten, begrünten Flächen und Verbindungen im Vordergrund freiraumplanerischer Überlegungen. Vom Technikpark spannt sich über die verkehrsberuhigte Strehmayer-gasse eine durchgängige Grünverbindung bis zur Biokatalyse und den Felix-Dahn-Platz.

Am Vorplatz des Chemieersatzgebäudes bricht der grüne Teppich in einzelne Schollen auf und bildet, flankiert von einer Zeile unterleuchteter Sitzmöglichkeiten Fuß- und Radwege aus. Im Wechsel von locker gruppierten, hoch aufgeasteten und niederwüchsigen, dicht stehenden heimischen Kiefern wird bewußt mit der Betonung von Sichtachsen und Brechung von Sichtbeziehungen gespielt.

Dieses Thema findet in den eingesetzten, lichtdurchfluteten und begrünten Höfen im Gebäudeinneren seine Fortsetzung. Eine größzügige Terrasse auf dem Dach des.Hofgebäudes der "Neuen Technik" schafft eine grüne Oase inmitten der Monotonie des Innenhofes; die Aktivzone mit Basketballkörben unterstreicht den Gedanken eines belebten Universitätscampus.

Arch. DI Ernst Giselbrecht